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Jiddische Presse weltweit

Jiddisch lebt! In der Komischen Oper Berlin wird momentan eine jiddischsprachige Operette vorbereitet, 2015 feierten die Schauspieler der New Yorker Folksbiene/Volksbühne den 100. Geburtstag ihres jiddischen Theaters und eine junge kanadische Regisseurin hat kürzlich einen Kinofilm komplett auf Jiddisch abgedreht. Ein weiteres Zeichen der lebendigen Kultur sind auch die weltweit über 50 Druckmedien in jiddischer Sprache. Sie wenden sich an die bis zu zwei Millionen Menschen, die dieses früher meist einfach „Judendeutsch“ genannte Idiom noch beherrschen bzw. im Alltag sprechen.

Ihren Anfang nahm die jiddischsprachige Presse im 17. Jahrhundert. Nachdem man 1605 in Straßburg die erste Zeitung der Welt gedruckt hatte, die deutschsprachige „Relation“, verspürten auch immer mehr Juden in Mittel- und Osteuropa den Wunsch nach einem Medium in der eigenen Muttersprache. So kam es, dass um 1686 in Amsterdam die „Dienstagische und Freitagische Kuranten“ gegründet wurden. Sie waren die ersten zeitungsähnlichen Publikationen in Jiddisch. Herausgegeben und gedruckt wurden sie von Uri Faybesch Halevi. Halevi zählte nicht nur zu den führenden jüdischen Druckern und Verlegern Amsterdams, sondern ganz Europas. Amsterdam war zur damaligen Zeit das Zentrum des hebräischen und jiddischen Buchdrucks. Die „Kuranten“ erschienen nur ein paar Monate lang. Bis die nächsten Zeitungen in der „Mameloschn“ der Juden entstanden, verging fast ein Jahrhundert. 1771 erblickte die „Dyhernfurther Privilegierte Zeitung“ im Umland von Breslau das Licht der Welt. Sie gilt als erste jiddischsprachige Zeitung im deutschen Sprachraum. Eine regelrechte Gründungswelle von Zeitungen und Zeitschriften auf Jiddisch gab es ab dem 19. Jahrhundert – insbesondere in Osteuropa.

Aber auch in den USA wurden zahlreiche Publikationen aus der Taufe gehoben, weil hunderttausende osteuropäischer Juden aus Armutsgründen dorthin auswanderten. Allein in New York sollen zwischen 1885 und 1914 über 150 jiddischsprachige Mitteilungsblätter, Jahrbücher, Zeitschriften, Tages-, Wochen- und Monatszeitungen erschienen sein. In diese Zeitspanne fällt auch das Gründungsdatum des „Forverts/Vorwärts“. Die erste Ausgabe kam 1897 an die Kioske der amerikanischen Metropole. Er existiert bis heute und ist damit die älteste noch erscheinende Zeitung auf Jiddisch. In seiner Blütezeit verkaufte der als Tageblatt gegründete „Vorwärts“ bis zu 250.000 Exemplare. Heute erscheint er nur noch alle 14 Tage mit einer Auflagehöhe von etwa 2.000. Um weiter existieren zu können, publiziert der Verlag schon seit langer Zeit eine zusätzliche englischsprachige Ausgabe, den „Forward“, und die täglich aktualisierte zweisprachige Internetseite www.forward.com. Für den Verleger Sam Norich ist das Internetangebot mittlerweile das Hauptprodukt der Redaktion. Damit kann man Leser in aller Welt erreichen. Die Seite enthält Nachrichten, Blogs, Videos und Podcasts von Korrespondenten aus Jerusalem, Buenos Aires oder Moskau. Dass Jiddisch in der amerikanischen Gegenwart nicht mehr die gleiche Rolle wie früher spielt, hat vornehmlich zwei Gründe: Einerseits sprechen immer mehr Juden Englisch, und andererseits wurde mit der Gründung des Staates Israel das Hebräische als Alltagssprache wiederbelebt. Heute gibt es viele, die Jiddisch passiv beherrschen. Sie haben die Sprache an Hochschulen neu gelernt oder als Kinder Gespräche von Eltern bzw. Großeltern mitbekommen. Im Alltag wird die einstige jüdische Lingua Franca Mittel- und Osteuropas fast nur noch von den ultra-orthodoxen Juden verwendet. Sie lesen allerdings nicht den liberalen, säkularen „Vorwärts“, sondern haben in New York eigene Zeitungen wie „Der Blatt“, „Der Yid“ und „Di Tzeitung/Die Zeitung“. Letztere erscheint seit 1988 und hat eine eigene Internetseite (www.ditzeitung.com), was bei den konservativen Publikationen eine Seltenheit ist. „Der Yid“ wurde 1953 von Dr. Aaron Rosmarin gegründet. „Der Blatt“ kam im Jahr 2000 auf den Markt und hat nach eigenen Angaben Leser in aller Welt. Alle drei Zeitungen erscheinen wöchentlich, sind in Brooklyn beheimatet und haben Auflagen von weit über 10.000 Exemplaren. Darüber hinaus werden noch zahlreiche Zeitschriften und Mitteilungsblätter herausgegeben: ein säkulares Kulturmagazin namens „Afn Shvel/Auf der Schwelle“ sowie über zehn orthodoxe Veröffentlichungen. Unter ihnen sind die Zeitschriften „Der Blick“, „Kindlein“, „Yidisher Tribune“, „Moment“, „Der Blitz“, „Der Stern“, „Tzeitshrift“, „Der Shpaktiv“ oder „Maalos“ und sogar ein tägliches Mitteilungsblatt mit dem Titel „Luach Hatzibur“. Das „Algemeiner Journal“, das noch kürzlich zu den führenden jiddischsprachigen Publikationen in den Vereinigten Staaten gehörte, wird mittlerweile fast gänzlich in Englisch publiziert. Neben New York ist in Nordamerika das kanadische Montreal ein Zentrum des Jiddischen. Deshalb erscheint dort das bilinguale Wochenblatt „Der Moment/The Moment“.

In Europa existieren noch beachtenswerte Publikationen in Warschau, London und Paris. Die einst bedeutendste Wochenzeitung Israels in jiddischer Sprache, die „Letzte Nayes/Letzte Neuigkeiten“, ging vor wenigen Jahren ein. Im Osten Russlands erscheint noch immer der „Birobidschaner Stern“. Er wurde 1930 als Tageszeitung für den autonomen jüdischen Bezirk in Sibirien gegründet. Heute ist er eine bunte Publikation mit weitgehend russischem Inhalt. Auch wenn die Zahl der säkularen jiddischsprachigen Druckmedien schwindet, so nimmt zumindest die Menge der Internetseiten in der „Mameloschn“ stark zu. Auch Radioprogramme entstehen neu. Das sind alles Gründe für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

Autor: Björn Akstinat

Dieser Text erschien unter anderem in der jüdischen Zeitung „Wina“ (Österreich) und der „Jüdischen Rundschau“ (Berlin).

Auch die „Jüdische Allgemeine“ berichtet über die Forschungsergebnisse der IMH:

IMH-Artikel Jüdische Allgemeine Jiddische Sprache Björn Akstinat Internationale Medienhilfe